Der historische Weg der Bulgarischen Orthodoxen Kirche
Dr. Wenzislav Karavalchev,
Universität Sofia, Theologische Fakultät
(1.Teil)
Einleitung -
Christentum im Lande - vor der Reichsgründung der Bulgaren
Bulgarien ist ein Land mit eineraußergewöhnlich
reichen Geschichte, mit einem reichen historischen Erbe aus der Vergangenheit.
Die bulgarische Kirchengeschichte, die ein untrennbarer Teilder
Gesamtgeschichte des bulgarischenVolkes ist, ist
nicht weniger bedeutend und reich.
Aber damit diese Geschichteden gebührenden Stolz hervorruft
und uns in diesen für unsere nationale Identität verworrenen Jahren
Selbstwertgefühl schenkt, ist es notwendig, dass sie popularisiert wird und
ihren Platz in unserem Bewusstsein und
Gedächtnis inne hat.
Nur zwanzig Jahre nach derAuferstehung Christi wurde das Gebietdes
heutigen Bulgarien durch die Predigt der Apostel und ihrer Schüler
erleuchtet. Diese
Predigt war so stark und wirksam, dass schon im ersten Jahrhundert das
Christentum in unserem Gebiet Fuß fasste,
und das Blut unserer Vorfahren, der Märtyrer, die diesen Glauben
angenommen
hatten, tränkten seine Wurzeln so
reichlich, dass der Baum unserer Kirche
nicht ins Schwanken kommen sollte, unabhängig von den
Widerwärtigkeitenund dem
Ungemach der Zeiten. Durch den Nebel
der Jahrhunderte können wir die Erhabenheit der Bulgarischen
Orthodoxen Kirche
und die reiche Ernte guterFrüchte,
die sie hervorgebracht hat und bis heute hervorbringt – die
bekannten und unbekannten bulgarischen Heiligen,Märtyrer und
Heiligen aus dem monastischen Stand –
kaum hoch genug einschätzen.
1)
Auf Grund dieser reichen Frucht sollte nach
Gottes Vorsehung die Bulgarische Kirche zum Keim für alle slawischen Kirchen
werden und sollte einstimmig zum ersten Patriarchat außerhalb
der alten Pentarchie – Konstantinopel, Rom, Alexandrien und
Jerusalem – werden. Beginnen wir damit, dass der Herr Selbst
drei Seiner Apostel dazu berief, das Evangelium in
unseren Landen zu verkünden. Einer der bedeutendsten Jünger Christi –
der heilige Andreas, der als erster von unserem Herrn zum Apostel berufen worden ist – ist
der Glaubensbote unserer Lande.
Auf das Gebiet des heutigen Bulgarien – die
Dobrudscha und Thrakien – fiel sein apostolisches „Los“.
Das beschreibt eine alte historische Quelle folgendermaßen:
„Andreas kam zusammen mit Johannes in die Stadt
Ephesus, wo sie das Wortverkündeten. Dort erschien
(unser) Erlöser und Herr Jesus Christus in einerVision
dem wunderbaren Andreas, worin Er ihn aufforderte, nach Bithynien zu reisen: «Ich bin mit dir, wohin auch immer du
fährst, denn Skythien wartet auf dich.» Nachdem der gotterfüllte Andreas von
dieser Vision Johannes dem Theologen
berichtet hatte, verabschiedete er sich von ihm und brach zusammen mit seinen
Schülern in die Stadt Laodizäa in Phrygien Capatiana auf. Und von dort zog er weiter
und kam nach Odessoupolis in Mösien (heute
Varna – Anmerkung des Autors). Nachdem er dort einige Tage geblieben war
und für die Neubekehrten einen Bischof
namens Ampion eingesetzt hatte, überquerte er das Gebirge Olymp und stieg in
Nizäa ab, welches die größteSiedlung in Bithynien war…“
2)
Damit der Glaube in unseren Landennoch
stärker verwurzelt wurde, schickte er noch zwei seiner Jünger und Nachfolger
dort hin: die heiligen Apostel Philippus und Paulus.
3)
Die Predigt der Apostel brachte sogleich ihre Früchte.
Nach seiner Abreise aus Varna weihte der Apostel Andreas den Apostel Amplios
zum Bischof der Stadt.
4)
Etwas später wirkten in derUmgebung
der Stadt und sogar bis zur Donau andere seiner Schüler – die heiligen Märtyrer
Inna, Pinna und Rimma.
5)
Im Gebiet von Marcianopolis (Devnja),Varna und
Anchialo (Pomorie) predigte die Schülerin des hl. Apostels Paulus –die
hl. Märtyrerin Sebastiana.
6)
In Anchialo predigte ein anderer Schüler des hl.
Apostels Paulus – der hl. MärtyrerTheophanios.
7)
Im heutigen Stara Zagora hatte der Schüler des
hl. Apostels Paulus der hl. Apostel Karpos den Bischofsstuhl inne.
8)
In Plovdiv wurde der Bischofssitz wahrscheinlich
vom apostolischen Mann Hermas geleitet, und in Sofia haben wir jeden Grund zur
Annahme, dass der heilige Clemens an der Spitze stand. Der heilige Clemens, der von den hl. Aposteln Petrus und Paulus zum
Bischof geweiht war – und künftiger
Vorsteher des Bischofssitzes von Rom.
9)
Die bulgarischen Lande
schenkten der Kirche begeisterte Verkündiger und Asketen, die
nicht nur in der Orthodoxie, sondern in
der ganzen christlichen Welt besondere
Hochachtung genießen, wie etwa den hl.
Nicetas von Remesiana, den Täufer der Besser, den Schöpfer des thrakischen Alphabets,
10) einen großen christlichenMissionar, Übersetzer,
Verfasser einerReihe von theologischen Traktaten undHymnographen.
11)
Der hl. Johannes Cassian von Rom ist einer der
Begründer des westlichen Mönchtums 12),
und die hl.Barbara von Heliopolis ist eine der meistverehrten Heiligen im
Christentum.
13)
Der
Bischof Wulfila – der Täufer der Goten – ist der
Schöpfer des
gotischen Alphabets, vom dem nur wenige wissen, dass es der deutschen
Sprache zugrunde liegt,und de facto legt Wulfila im Gebiet des heutigen
Bulgarien den Grund der mittelalterlichen germanischen Literatur.
14)
Die Schüler der heiligen Brüder Kyrill und Method schaffen hier das slawische Alphabet. Wenn man allein den literarischen Beitrag kurz zusammenfasst, den die in unseren Landen lebenden Christen für die christliche Geschichte erbracht haben, dann liegt er darin, dass hier drei Alphabete geschaffen wurden, die heute mehr als halb Europa und Teile von Asien und Afrika benutzen.
1)
Vgl. 1 Kor 13,12: „Jetzt schauen wir in einen Spiegel…“.
2)
Meine Übersetzung aus: Epiphanii monachi et presbyteri, (editaet inedita cura Alberti Dressel). Parisi – Lipsiae, 1843, p. 56. Siehe auch: Eusebii Pamphili, Historia ecclesistica, III:1, PG XX, col.215 – 216. Detaillierter: Каравълчев, В. Свети апостол Андрей Първозвани и апостолското начало на Църквата във Варна. – В:Варнеска и Великопреславска епархия. История, интервю, статии, доклади, патриаршески послания. Варна, 2019, с.18 -28.
3)
„Post
ascensionem vero Salvatoris, beatus Philippus per annosviginti, instanter
praedicavit gentibus per Scythiam Evangelium.” – (Nach der Himmelfahrt unseres Erlösers
verkündete der selige Philippus von den Zwölf das Evangelium sogleich den
Völkern in Skythien).
Siehe: Codex Vindobonensis Latinus 534 (BHL6814) (sec. IX). Siehe auch: The
Blackwell companion to Eastern Christianity. (ed. K. Parry). Maiden – Oxford –
Victoria, 2007, p.186 – 187. Dieselbe Nachricht übermittelt uns im 7./8. Jht. Auch
Beda Venerabilis in seinem Martyrologium:
PL XCIV, col. 883.
4)
Hippoliti, De LXX apostolis (Περὶ τῶν 70 Ἀποστόλων) – PGX, col.955-956.
5)
Menologium Graecorum (Basilii Porphyrogeniti Imperatoris) –PG CXVII, col. 269-272; Menologio de Basilio II, cod. Vaticano Greco 1613, p. 337. Genauer siehe: Каравълчев, В. Светите мъченици Ина, Пина и Рима – скитските ученици на св. ап. Андрейи просветители на земите ни. – Християнство и култура, бр. 9(126), 2017, с. 66-73.
6)
Acta Sanctorum. Junii, Tomus VI, pars.I. Antverpiae, 1715, p.57-71.
7)
Διαμαντόπουλος,
Α. Η
Αγχίαλος.
Αρχείο του
Θρακικού,
Λαογραφικού
και
Γλωσσικού
Θησαυρού
(ΑΘΛΓΘ). τ. ΙΘ.
Αθήνα,1954, σ. 22.
8)
„Καρπός επίσκοπος Βηρυτού τής Θράκης“, siehe: Hippoliti, DeLXX apostolis (Περι των Ο‘ αποστολων), PG X, col.. 957 – 958.
9)
Dorothei episcopi Tyri, De Septuaginta Domini Discipulis,Migne, PG XCII, col.1059, 1065. Detaillierter siehe: Каравълчев,В. Свети Климент, папа Римски – първи епископ на София. – Християнство и култура, бр. 10 (67), 2011, с.116-127
10)
Тодоров, Т. Библия Бесика. – Thracia, 1984, с. 259 -275.
11)
Burn, A.E. Niceta of Remesiana, his life and works. Cambridge,1905, р. ХХХV. Blasen, Ph. Nicetas of Remesiana – A Missionary Bishop in Dacia? In: Studia Universitatis Babes-Bolyai Theologia catholica, 1-2, 2012, р. 39 – 49.Виж подробно: Каравълчев, В.Св. Никита Ремесиански и християнизирането на бесите. –Християнство и култура, 7, 2013, с. 80– 89.
12)
Chadwik, O. John Cassian. A study in primitive monasticism. Cambridge, 1950, p. 190 -198. Joyce, S. Contested origins of monasticism: divergent models of authority. – JAEMA 11, 2015, p.1-16.
13)
Halkin, F. Bibliotheca Hagiographica Graeca (BHG), t.I,Bruxelles, 1957, p. 75-78. Бешевлиев, В. Два малко известнивизантийски надгробни надписа. В: Сборник в памет на проф.Петър Ников, София, 1940, с.37-47. S. Joannes Damascenus,Laudatio S. Barbarae martyris, PG XCVI, col. 781-814, 895- 910.Detaillierter in: Каравълчев, В. Св. Варвара Илиополска – последите на едно предание. – Християнство и култура, бр. 71,2012, с. 87- 97. Каравълчев, В. Християнизацията на Родопите:свидетелството на св. Варвара Илиополска и делото на св. Ни-кита Ремесиански. – В: Родопа планина – земя на богове, хораи храмове. София, 2019, с. 148 -155.
14)
Scott, Ch. Ulfilas. Apostle of the goths. Cambridge, 1885. Готите и старогерманското културно-историческо присъствие побългарските земи (ред. Р. Милев). София, 2003.
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